Kliniken müssten daher gegenüber Bewerbern auch nachweisen, dass Digitalisierungsprogramme nicht nur gekauft wurden, sondern auch im Einsatz sind. Typisches Beispiel: „Der QR-Code eines Medikamentenplanes eines Patienten nutzt niemanden etwas, wenn es keine Scanner dafür in den einzelnen Abteilungen gibt“, sagt der Nachwuchs-Mediziner. „Das bekommt man als Bewerber nur durch genaues Nachfragen raus. Ich würde unter anderem immer nach einer Spracherkennungssoftware für die Arztbriefe, wie dem eLogbuch, fragen sowie nach Online-Weiterbildungsmöglichkeiten und wie diese strukturiert sind.“ Ein erstes wichtiges Indiz für digitale Kompetenz liefere aber auch schon der Bewerbungsprozess: „Wenn eine Klinik in dem Bereich eine digitale Vorgehensweise hat, zeigt das schon mal die Richtung auf und wäre ein Zukunftsformat.“
Der innovative, junge Arzt als Digitalisierungs-Treiber im Krankenhaus
Der Digitalisierungsgrad einer Klinik stellt laut internationalen Studien ein zentrales Argument bei der Stellensuche für Ärzte dar, weiß Professor Dr. Margit Geiger. Sie forscht als Professorin am Institut New Work der Berner Fachhochschule zur Zukunft der Arbeit mit dem Schwerpunkt Human Resources (HR) und ist Mitglied des «Initiativkreises neue Personalarbeit in Krankenhäusern». Dabei beobachtet sie eine entscheidende Korrelation zwischen der Attraktivität von Kliniken als Arbeitgeber und dem Ausbau der Digitalisierung: „Vor allem junge, innovative Ärzte haben mittlerweile im Blick, wie eine Klinik digital aufgestellt ist. Da Assistenzärzte während ihrer Ausbildung leicht wechseln können, sind sie möglicherweise auch schnell wieder weg. Sie sind sehr stark vernetzt, und so durch andere Kollegen gut darüber informiert, was Kliniken in diesem Bereich zu bieten haben“, sagt sie. „Das kann sich dann auf die Verbreitung der digitalen Transformation in die Peripherie negativ auswirken, denn die eigentlichen Treiber dieser Entwicklung sind die innovativen Leistungsträger unter den Ärzten.“
Kliniken sollten sich daher als Digital Leader positionieren, wie es andere Branchen wie etwa die Automobil- oder Chemie- und Pharmaindustrie schon sehr viel länger tun. Mit strukturierten Weiterbildungsangeboten und gezielten Personalentwicklungsmaßnahmen sollten Mitarbeiter bei der digitalen Transformation unterstützt werden. Sie meint auch: „Die Investitionen sind notwendig, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen. Administrative Prozesse stärker zu digitalisieren, ist ein weiterer notwendiger Schwerpunkt. Dies setzt eine adäquate IT-Infrastruktur in den Kliniken voraus. Das ist aktuell ebenfalls eine große Herausforderung.“ Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit einer Klinik von der Verwaltung über die Behandlung bis zur Pflege kann verbessert werden. „Die Weiterentwicklung der Führungskultur ist notwendig, denn die Chef- und Oberärzte sind in Sachen Führung nicht ausreichend ausgebildet, wie auch aktuelle Studien belegen. Oft fehlt es an geeigneten Entwicklungsangeboten in Kliniken oder vorhandene Möglichkeiten werden nicht wahrgenommen. Da sehe ich noch einen immensen Nachholbedarf,“ so die Professorin. Erste unterstützende Softwareangebote zur Selbstreflexion der Sozialkompetenz sind bereits im Einsatz.
Digitale Weiterbildung als Jobmagnet
Chancen, sich digital attraktiver aufzustellen, bieten sich den Kliniken reichlich, ist die Wissenschaftlerin überzeugt. Außerdem werde der digitale Reifegrad eines Standorts noch viel zu selten anhand von Kennzahlen gemessen.
Ein weiterer wichtiger Bereich zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber betrifft für die HR-Expertin die Weiterbildung. „Vor allem Blended Learning-Formate nehmen an Bedeutung zu. Digitale Weiterbildungsformate wie Webinare, Apps, Lehrvideos oder die gezielte Nutzung und Weiterentwicklung von Datenbanken zu medizinspezifischen Sachverhalten werden verstärkt genutzt. Die jüngeren Ärztegenerationen sind mit neuen Medien groß geworden und erwarten ein entsprechendes Arbeitsumfeld“, sagt sie.
Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ sollten die Kliniken ihre digitalen Fortschritte auch offensiver am Arbeitsmarkt kommunizieren, empfiehlt zudem Nachwuchsarzt Max Tischler. „Transparenz steht da an erster Stelle. Besonders, wie gut die Digitalisierungsstrategie in Bezug auf die Anwender, also die Ärztinnen und Ärzte zugeschnitten ist, sollte nach außen dargestellt werden. Da wird Vieles versprochen, was nicht gehalten werden kann, so auch meine persönliche Erfahrung. Wenn ich zum Beispiel zwei universitäre Häuser als Auswahlmöglichkeit habe, kann die bessere digitale Weiterbildungs- und Arbeitsmöglichkeit durchaus den Ausschlag geben. Wir sind halt Ärzte und ungern Sekretäre.“