Was würde die Situation für Ärzte und Patienten erleichtern?
Hier braucht es einheitliche bundesweite Regelungen, um gerade in einer Notfallsituation die bestmögliche Behandlung des Patienten gewährleisten zu können. Wenn digitale Inhalte vorhanden sind, müssen diese weiterhin auf Datenträgern von Arzt zu Arzt und Klinik zu Klinik durch die Patienten weitergegeben werden, wie zum Beispiel bei ambulant angefertigter Radiodiagnostik. Zum Teil kommen hier bereits cloudbasierte Lösungen zum Einsatz, sind aber bei weitem noch nicht flächendeckend verfügbar. Einzelne Datensätze können zum Teil in das eigene Kliniksystem geladen werden, um hier im Rahmen von Fallvorstellungen im klinischen Ablauf eingebunden zu werden. Hier besteht allerdings häufig ein Problem der Schnittstellen, sodass diese Lösungen nicht reibungslos funktionieren. Die Technologie steht also zur Verfügung, um die Daten für die Patienten anzulegen und überall verfügbar zu machen. Einheitliche Standards würden hier auf jeden Fall die Patientensicherheit und die Versorgungsqualität deutlich erhöhen.
Wir sind erst am Anfang der digitalen Transformation
Warum glauben Sie, dass die zahlreichen Vorteile der digitalen Transformation von Ärzten aktuell nicht ausgeschöpft werden können?
Wir sind erst am Anfang der digitalen Transformation. Diplomatisch ausgedrückt: Im deutschen Kliniksystem ist vieles technologisch schon gut gelöst, aber durchaus ausbaufähig. Ein großes Thema sind die verschiedenen Softwarelösungen für gleiche Probleme, die von den einzelnen Kliniken gekauft werden. Da besteht ein riesiger Nachholbedarf in Bezug auf eine einheitliche Oberfläche. Wir haben in unserer Klinik alleine drei verschiedene Systeme, mit denen wir arbeiten. Ich muss mich für jedes parallel einloggen. Inhalte von einem System sind nicht im anderen verfügbar und müssen teilweise von Hand übertragen werden. Solche Schnittstellen können dann unnötige Fehler verursachen, ganz abgesehen von dem Problem in der Bedienbarkeit. Ein Lösungsansatz wäre eine Verknüpfungssoftware mit einfacher Oberfläche, welche die einzelnen Systeme miteinander verbindet, die es dennoch anderen Bedienern (DRG, IT etc.) erlaubt, Bereiche der oft sehr komplexen und umfassenden Software zu benutzen. Gleichzeitig sollte mit der Softwarelösung stets der Fokus auf den Behandlungsablauf des Patienten gelegt werden.
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Mangelhafte IT-Infrastruktur beeinträchtigt die klinische Qualität
Wie beurteilt das Bündnis Junge Ärzte grundsätzlich die IT-Ausstattung der Kliniken?
Unsere alltägliche Wahrnehmung ist, dass die vielzähligen Vorteile der digitalen Transformation von uns Ärzten nicht ausgeschöpft werden können: Unzureichende Hard- und Software mit veralteten IT-Systemen, Kupfer- statt Glasfaserkabel und die fehlende personelle Ausstattung von IT-Abteilungen sind nur einige Beispiele, die in vielen Krankenhäusern eher die Regel als die Ausnahme darstellen. Mangelhafte IT-Infrastruktur beeinträchtigt die klinische Qualität zahlreicher deutscher Krankenhäuser. Aktuell ist das Verhalten der landes- und bundespolitisch Verantwortlichen – und nicht das der Ärzte – der Hemmschuh in puncto Digitalisierung.
Mit künstlicher Intelligenz (KI) zur besseren Patientenversorgung
Was würden Sie sich in Bezug auf eine modernere IT-Infrastruktur wünschen, um besser für die Patienten da sein zu können?
Vor allem, dass zukünftig Anwendungen und Applikationen unseren Arbeitsalltag erleichtern. Diese können die Ärzteschaft unter anderem unterstützen, die wachsenden Dokumentationsansprüche effizient zu bewältigen oder Routinearbeit sinnvoll zu stratifizieren. Es können dringliche Befunde und Entscheidungen priorisiert und eine verbesserte Versorgungsqualität erreicht werden. Die Integration künstlicher Intelligenz (KI) in den klinischen Alltag wird sicherlich in den nächsten Jahren ein relevantes Thema werden – die Auswertung von großen Datenmengen kann neue wissenschaftliche Erkenntnisse generieren und damit die Patientenversorgung verbessern. Auch bietet KI-unterstützte Diagnostik als Berater des behandelnden Arztes das Potenzial, die Patientenversorgung in Teilgebieten zu verbessern. Zum Beispiel sehr interessant ist die bereits weit fortgeschrittene unterstützende Diagnostik in der Radiologie und Pathologie, aber auch in neuen Anwendungen wie Frakturklassifizierungen. Wir sind offen für diesen Wandel – er soll und muss allerdings durch uns Ärzte mitgestaltet werden und daher fordern wir eine frühe Einbindung der Ärzteschaft und insbesondere der jungen Ärzte in die Entwicklung von digitalen Produkten sowie auch bei der Ausbildung.
Virtual Reality und Augmented Reality sollten in Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden
Wo sieht das Bündnis Junge Ärzte da praktikable Ansätze?
Es können schon Technologien wie Virtual Reality und Augmented Reality in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden, etwa in Bezug auf Simulationen operativer und minimal-invasiver Eingriffe. Das verbessert die Versorgung des Patienten, ohne ihn zu gefährden, erhöht die ärztlichen Fähigkeiten und senkt das Risiko für Komplikationen und fehlgeschlagene Eingriffe. Als gutes Beispiel dient hierzu die Luftfahrt. Auch Piloten müssen ja viele Stunden am Simulator trainieren, bevor sie ins echte Cockpit dürfen. Solche Lösungsansätze sind sicherlich für die künftige Generation von Ärzten in der Aus- und Weiterbildung ein relevantes Thema.
Leider gibt es bisher keine ausreichende Finanzierung zur Beschaffung solcher Simulatoren. Entweder die Klinik investiert oder eben nicht. Bislang sind solche Systeme erst in einzelnen Universitätskliniken, meist durch die Kooperation mit der Universität, verfügbar.
Zurück zu Ihrer Forderung an Angela Merkel. Wo erwarten Sie nun konkrete Unterstützung von der Kanzlerin?
Grundsätzlich in der besseren Finanzierung der Krankenhäuser. Und Covid-19 hat doch gezeigt, wie unbürokratisch man dies gestalten kann, wenn die gesellschaftliche Priorität der Medizin erkannt wird. Unsere Gesundheit ist unser höchstes Gut – diese Flexibilität und Geschwindigkeit würden wir uns auch für die Anschaffung von Hilfsmitteln in der digitalen Ausstattung der Kliniken wünschen. Wir reden seit Jahren über die Gesundheitskarte ohne sie bisher wirklich zu haben, mittlerweile ist diese Systemidee doch bereits durch den technologischen Fortschritt wie Cloudspeicherung abgelöst und sollte hier vielleicht fokussiert werden.