Univ.-Prof. Dr. med. Sebastian Kuhn*, Leiter der Reformkommission der Stiftung Münch und Professor für Digitale Medizin an der medizinischen Fakultät OWL der Universität Bielefeld, über die Telematikinfrastruktur als Basis der Digitalisierung im Gesundheitswesen und damit verbundene neue Berufsbilder.
Von Heiner Sieger
In Ihrer Studie „Neue Gesundheitsberufe für das digitale Zeitalter“ skizzieren Sie drei spezifische neue Gesundheitsberufe. Warum beschreibt die Studie der Stiftung Münch gerade diese drei Berufsbilder?
Diese drei in unserer Arbeit skizzierten „Neue Berufe“ stehen prototypisch für die Entstehung neuer Professionen im Zeichen des digitalen Wandels des Gesundheitssystems. Darüber hinaus ist die Weiterentwicklung der ärztlichen Profession und der Gesundheitsberufe eine essentielle Aufgabe. Diese haben Kolleg*innen und ich in separaten Projekten adressiert. Jedoch sehe ich hierbei nicht den Arzt für Digitale Medizin, wie von dem BJÄ postuliert, sondern digital kompetente Ärzt*innen in allen Fachgebieten. Meine Überzeugung ist jedoch auch, dass digital kompetente Ärzt*innen diese Aufgabe nicht allein gestalten werden. Es werden sich in den nächsten Jahren weitere neue Gesundheitsberufe entwickeln, die auf unterschiedlichen Ebenen im System agieren und prozessübergreifend sicherstellen, dass der digitale Wandel in den Organisationen vernünftig gestaltet wird.
Für Dr. med. Sebastian Kuhn ist klar: Technik ist wichtig, aber bei weitem nicht alles
Wo fehlt es bei der Digitalisierung der Gesundheitsbranche noch am meisten?
Egal welche Lösung wir uns anschauen, von der Anbindung an die Telematikinfrastruktur bis zu neuen Behandlungskonzepten – es geht immer um medizinische, technische, rechtliche und ethische Herausforderungen. Die Problematik liegt in der Komplexität der Materie: Vieles wird als isoliert technisches Problem missverstanden – es geht dann meist um Programme, Server und Konnektoren. Ich sage: Ja, die Technik ist essentiell. Aber das ist zu kurz gedacht. Es bestehen genug fachlich-medizinische Herausforderungen, aber auch rechtliche und ethische, bei Ärzten genauso wie bei den Pflegekräften. Woran es am meisten fehlt, ist das interdisziplinäre Herangehen. Es bedarf eines Teams an Personen, die die unterschiedlichen Herausforderungen in Einklang bringen. Kompetente Teams, die das vereinen können sowie Personen, die das koordinieren und leiten – eben neue Berufsbilder, vom digital-affinen Arzt über den Datenschutzbeauftragten bis zum Medizininformatiker – und darüber hinaus auch eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit ethischen Fragen.