Dr. Henrik Matthies*, Managing Director des Health Innovation Hubs (hih) des Bundesgesundheitsministeriums, über die neuen Möglichkeiten der Gesetzlichen Krankenkassen für Investitionen in Gesundheits-Start-ups und die damit verbundene Möglichkeit zur Gestaltung des Gesundheitssystems der Zukunft durch das gezielte Schließen von Versorgungslücken.
Von Heiner Sieger
Im Digitale-Versorgung-Gesetz (DVG) wurde es beschlossen: Zur Optimierung der Versorgungsqualität dürfen die Gesetzlichen Krankenkassen (GKK) nun auch via Venture Capital Fonds (VCs) in Gesundheits-Start-ups investieren. Wie finden die Gesetzlichen Krankenkassen die zu ihnen passenden sowie Erfolg versprechenden Gesundheits-Start-ups?
In der Regel benötigen die Kassen dafür professionelle Partner. Die Investitionen erfolgen dann nach heutigem Stand über drei verschiedene Modelle: Das erste Modell hat die Barmer GEK schon 2016 verfolgt, als sie sich mit 15 Millionen Euro am Health Fonds des Risikokapitalgebers Earlybird beteiligt hat. Ein zweites Modell ist das Vorgehen der Beteiligungsgesellschaft BrückenKöpfe. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Kassen in einen neuen Fonds investieren, der ausschließlich für die neuen Möglichkeiten des §263a geschaffen wurde und der ausschließlich Gelder von Kassen annimmt. Dieser Fonds investiert dann seinerseits in Gesundheits-Start-ups, so sie denn Versorgungslücken im deutschen Gesundheitswesen schließen. Neu hinzugekommen ist jetzt das dritte Modell: Kassen dürfen auf breiter Front der gerade europaweit gestarteten Initiative des Venture Centre of Excellence (VCoE) beitreten. Mit dieser Einrichtung hat der European Investment Funds (EIF) zusammen mit dem European Institute of Innovation and Technology Health (EIT Health) geradezu eine Blaupause für das Investment in Gesundheits-Start-ups aufgebaut. Der deutsche Gesetzgeber hat den Gesetzlichen Krankenkassen gleichzeitig im Digitale-Versorgung-Gesetz den roten Teppich für künftige Investments ausgerollt. Für die Kassen ist das ein super Zeitpunkt, da jetzt aufzuspringen. Ich gehe davon aus, dass alle großen Kassen sich das gerade überlegen und hoffentlich viele der mittleren und kleineren Kassen sich zusammentun und ebenfalls mitmachen.
Dr. Henrik Matthies ist sich sicher, dass Versorgungslücken mit den vom VCoE ausgewählten TOP 10-15 europäischen Gesundheitsfonds adressiert werden können
Welche Rolle spielt das Venture Center of Excellence bei der Auswahl der Start-ups?
Beim VCoE wählt der EIF europaweit etwa 10-15 Venture Capital (VC) Fonds aus, die bereits nachweislich erfolgreich in Gesundheits-Start-ups investiert haben. Wenn diese VCs im Rahmen des VCoE interessante Start-ups finden, können sie in einer zentralen Datenbank abgleichen, welche der beim VCoE teilnehmenden Kasse das Themenfeld auch interessiert. Der VC-Geber kann dann der Kasse ein Co-Invest anbieten. Es ist inzwischen quasi unmöglich für einen einzelnen Fonds, die komplette Start-up-Szene in Europa zu beobachten und zu kennen. Wenn man aber die TOP 10-15 Gesundheitsfonds Europas zusammen hat, ist die Chance groß, dass genau die Versorgungslücken adressiert werden, die auch deutsche Krankenkassen interessieren.